Lange Zeit war es wieder ruhig hier in meinem Blog. Seit einer Weile hat der Tag gefühlte 48 h und ich bin den ganzen Tag am wuseln und machen und fühle mich am Ende des Tages doch so, als ob ich nix erledigt bekommen habe. Aber so ist das eben und diese Phase wird sicherlich auch vorbeigehen. Heute habe ich einen schönen Beitrag für Euch. Ich war nämlich letzte Woche Freitag in der Nachtschicht mit auf Streife – das war noch Teil meines Polizeiprogramms. Geplant war das Ganze eigentlich schon im September aber die Dame, die diese „Mitfahrten“ koordiniert hat, ist in Rente gegangen. Mein Antrag war dann verschollen… aber hey, ich kann mir so eine Gelegenheit doch nicht entgehen lassen. Wann kann man schon mal bei einem Cop mitfahren? Auf Nachfrage bei der Organisatorin des Programms habe ich dann kurzerhand den Termin bekommen.
Ich muss eingestehen, dass ich ganz schön aufgeregt war als ich von zu Hause losgefahren bin. Nicht, weil ich Angst vor den Einsätzen hatte sondern eher, weil ich 4 h mit einem Cop im Auto sitze und smalltalk halten muss. Und da bin ich leider immer noch nicht wirklich gut drin. Naja. Egal. Pünktlich um 19.50 Uhr stand ich vor dem Polizeirevier und habe mich angemeldet. Die Dame an der Rezeption meinte nur, dass die Polizisten gerade Übergabe haben und es noch etwas dauert. Gut. Kein Problem. Ich sitze also in der Lobby und warte. 10 Minuten, dann 20, dann 30 … Gegen 20.35 Uhr (also 45 Minuten nachdem ich angekommen war) kommt eine Polizistin auf mich zu und meinte, dass ich doch der „Mitfahrer“ wäre, oder? Sie nuschelte eine kurze Entschuldigung in ihren nicht vorhandenen Bart.. sowas wie, ich hatte noch was zu erledigen.. und los ging es. Stephanie, die Polizistin war genauso groß (oder soll ich sagen klein) und auch von der Statur her ähnlich gebaut wie ich. Nach einer kurzen Vorstellung wer ich bin ging es zu ihrem Auto. Sie arbeitet 4 Nächte (Mi – Sa) die Woche (20 Uhr – 6 Uhr, also je 10 h) und hat dann 3 Tage (So-Di) frei. Ihr Auto, einen Chevrolet Tahoe (SUV) teilt sie mit einem Kollegen, der an den Tagen arbeitet, an denen sie frei hat. Unser erster Weg führte uns, wie sollte es anders sein, erst einmal zum Dutch Bros‘ Drive Thru um einen Kaffee zu holen. Auf den obligatorischen Donut haben wir verzichtet. Nach einem kurzen Schwätzchen mit den Kaffeedamen, die Officer Stephanie gut kannten (weil sie jede Nacht hier vorbeikommt) ging es dann auf Streife. Es war bereits 21 Uhr.
Eigentlich sollte man meinen an einem Freitagabend, noch dazu Monatsanfang, wo Gehälter ausgezahlt werden und noch Geld da ist, sollte was los sein und wir von einem Einsatz zum nächsten düsen. Aber es war nichts, absolut nichts los. Wir sind durch die Gegend gefahren, haben uns unterhalten und die Augen nach verdächtigen Dingen offen gehalten. Es kam uns noch nicht mal ein Auto ohne Licht entgegen oder sonst irgendwas, so dass Stephanie jemanden hätte anhalten können. Das war schon ein wenig frustrierend für mich. 2x sind wir an einem Haus vorbeigefahren an dem der Mieter sich am Vorabend das Hirn an die Decke geschossen hat – alleinstehender, älterer Herr mit leichtem Hang zum Messi, ohne Familie…. da sind die Depressionen während der Feiertage nicht weit. Nun ja, wir haben eben kontrolliert ob sich da irgendwer an dem Haus zu schaffen macht. Aber auch hier… totenstille.
Hillsboro ist in 4 Quadrate aufgeteilt – in jedem Quadrat sind 6 Streifenpolizisten unterwegs und meistens pro Schicht auch ein Polizeihund.
Der erste „Einsatz“, den wir über die Leitstelle gehört haben, war eine anonyme Person, die angerufen hat und sagte sie wird wahllos Leute an der Bahnhaltestelle verletzen. Stephanie wusste sogleich nach wem sie Ausschau halten muss, da dieser Jugendliche das wohl öfters macht. Bisher hatte er immer seinen Namen genannt. Es handelt sich um einen 18- jährigen, der mental einige Probleme hat, eigentlich aus Portland kommt aber gern in Hillsboro die Polizei beschäftigt. Wir sind die verschiedenen Bahnhaltestellen abgefahren, konnten ihn oder auch sonst niemanden sehen, der Personen verletzt.
Dann, gegen 21.30 Uhr endlich der erste richtige Einsatz. Eine Mutter hat angerufen, das ihr 15- jähriger Sohn vor ihren Augen eine Hand voll Tabletten geschluckt hat und sagte, dass er sich umbringen will. Dazu wurde er wohl ein wenig aggressiv ihr gegenüber. Filmreif hat Stephanie gewendet, Blaulicht und Sirene eingeschaltet und dann ging es zügig durch (gefühlt) halb Hillsboro. Vor Ort waren bereits schon 2 Kollegen, Hillsboro Fire mit den Notärzte und der Krankenwagen. Ich durfte natürlich nicht direkt ans Geschehen sondern musste im Auto warten. Nach einiger Zeit wurde der Teenager auf die Trage geschnallt und in den Krankenwagen geschoben. Uns fiel es dann zu diesen Transport ins Krankenhaus zu begleiten. Super Sache…. 15 Minuten hin, dann dort warten und wieder zurück… ich sah meine „Einsatzzeit“ schon unspektakulär zu Ende gehen. Es hat sich herausgestellt, dass der Teenager dann gar nicht aggressiv war sondern immer ruhiger wurde und die Notärzte in diesem Stadium nichts machen konnten sondern nur das Krankenhaus in dem sie den Magen auspumpen. In so einem Fall muss die Polizei dem Krankenwagen hinterher fahren und schauen, dass der Teenager im Krankenhaus auch die Behandlung bekommt, die er benötigt. Denn es könnte ja sein, dass die Mutter (die in unserem Falle im Krankenwagen mitgefahren ist) sagt, er braucht nicht behandelt werden. Oder bei Volljährigen, dass die Patienten sich selbst entlassen bevor sie einen Arzt gesehen haben. Zum Glück ging das alles relativ problemlos. In der Kinder- Notaufnahme haben sie schon auf uns gewartet und den Teenager in Empfang genommen. Die Mutter hat uns noch ein wenig ihr Leid geklagt, dass er so ausgerastet ist, weil sie ihm verboten hat zur Bandprobe zu gehen, wenn er weiterhin die Schule schwänzt. Eigentlich ein guter Erziehungsansatz – der junge Herr wollte das nicht verstehen und hat eben lieber Tabletten geschluckt und ein Loch in die Wand geschlagen. Gut, das geht bei amerikanischen Häusern ziemlich einfach :-). Nachdem er nun also im Behandlungszimmer war, konnten wir wieder weiter.
Es war immer noch nicht so richtig viel los. Die Kollegen im anderen Quadrat hatten einen Unfall, die anderen ein Auto angehalten. Nur bei uns war nicht viel los. Stephanie entschied dann eine Ruhestörung, die an diesem Abend wohl schon zum 2. Mal gemeldet wurde, aufzusuchen. Wir konnten die Musik schon von weitem hören..und haben auch einige Teenager, die mit ihren 6 – Packs Bier das Gelände verlassen, sehen. Ich musste wieder im Auto bleiben. Kurz nachdem Stephanie aufgetaucht ist war die Musik aus. Ihre Androhung, dass es beim nächsten Mal ein Ticket wegen Ruhestörung gibt hat wohl gezogen – wer will schon 1000$ bezahlen? Kopfschüttelnd kam sie zurück zum Auto und meinte nur: die haben ein Feuer in der Garage. Wie, ein Feuer? Ja, ein richtiges Lagerfeuer, mit Holz und ganz viel Rauch. Wenigstens haben sie das Garagentor offen, so dass sie sich nicht selbst ausräuchern. Tja, da muss man sich nicht wundern, wenn die Hütte abbrennt. Sie hat auch gleich eine Notiz zum Einsatz geschrieben falls sich da im Laufe der Nacht wirklich ein Feuer entwickelt.
Auf unserem weiteren Weg haben wir ein verdächtiges Auto auf einem Kirchenparkplatz gesehen – mit angelaufenen Scheiben. Stephanie, in der einen Hand die Taschenlampe, die andere griffbereit an der Pistole hat das Auto überprüft. Im Auto waren aber nur zwei 16 – jährige Teenager, die vor sich hingekichert haben. Nachdem sie auf die Sperrstunde um 12 aufmerksam gemacht wurden, haben sie sich auch schnell auf den Heimweg gemacht. 23.30 Uhr… bis 24 Uhr sollte meine Fahrt gehen und wir haben noch nicht wirklich was erlebt. Im Funk kam dann eine Überdosis Heroin. Allerdings waren die Kollegen schneller und wir wurden nicht benötigt, so dass wir noch nicht mal in die Verlegenheit kamen unser Sondersignal einzuschalten.
Dann, einige Minuten später der nächste Anruf der Leitstelle. Ein Betrunkener in einer Gaststätte in Hillsboro downtown, der einen verwirrten Eindruck macht. Also nach der Überdosis Tabletten und Heroin dann eben noch Alkohol. Hier durfte ich mit aussteigen. Die Eigentümer der Gaststätte haben uns empfangen und meinten, dass der Herr einen stark verwirrten Eindruck macht. Er kam dann auch direkt von der Toilette und faselte etwas von.. wo er denn sei. Stephanie fragte ihn dann wo er denn denkt, dass er sei und wo er sein sollte. Das weiß er nicht, und dies auch nicht. Er will doch nur zu seiner Freundin. Aha. Ein Ausweisdokument hatte er nicht bei sich. Er gab an er hieße Jonah Carter. Nach einigen Minuten kam Verstärkung – das dient Hauptsächlich dem Eigenschutz der Beamten. Der Kollege erkannte Jonah von einem Zwischenfall, der 3 Wochen zurücklag. So stellte sich heraus, dass er gar nicht Jonah hieß sondern Scott. Auf dem Dienstlaptop poppte dann auch sogleich sein Mugshot (also das Bild, das sie im Gefängnis aufnehmen) auf und er konnte zweifelsfrei identifiziert werden. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er den verwirrten gespielt. Als der Polizist ihn darauf angesprochen hat wurde er plötzlich verbal ausfallend und meinte er wäre ja nur hier um ihm den Schädel einzuschlagen. Da der gute Scott obdachlos ist und keine Unterkunft für die Nacht hatte, in seinem alkoholisierten Zustand aber eine Gefahr für sich selbst und andere wäre, haben die Polizisten entschieden, ihn für eine Nacht ins Gefängnis zu stecken. Jippie, erlebe ich also doch noch etwas. Scott bekam die Hände mit Handschellen auf den Rücken gefesselt und fing sogleich an zu jammern. Das tut weh, sie brechen ihm die Arme. Und seine Hose rutscht.. in dem Punkt hatte er allerdings recht. Nach ein paar Schritten hing ihm die Hose unter dem Hintern in den Kniekehlen. Gemeinsam haben die beiden Cops die Hose wieder hochgezogen und er sollte sie am Bund festhalten. Das gelang mehr oder weniger und die Hose rutschte immer wieder über den Hintern. Am Polizeiauto wurden seine Taschen geleert – und ich muss sagen, dass ich sehr überrascht war, denn er hatte Unmengen an Geld dabei. 20$ und 100 $ Scheine. Kaum war er im Auto kam auch schon die Alkoholschwade zu uns nach vorne. Brrrr war das eklig. Er fing dann auch immer an.. you fucking scumbags (Drecksack), you are so nasty (ihr seid so böse), you need mental health (ihr braucht Hilfe, ihr seid geisteskrank), you are soooo good people (ihr seid so gute Leute)… so ging es die paar Minuten, bis wir im Gefängnis ankamen. Es war das Gefängnis, das wir während unseres Polizeikurses auch besucht haben. Ich hatte nicht damit gerechnet, so schnell wieder hier zu sein.
Im Gefängnis musste Scott sich auf eine Bank setzen während Stephanie den Papierkram erledigt hat. Er hatte noch 2 offene Vollstreckungsbefehle, weil er nicht zu Verhandlungen erschienen ist. Nach telefonischer Rücksprache mit irgendwem wurden diese Vollstreckungsbefehle aufrecht erhalten und er hat 2 Einladungen für den nächsten Gerichtstermin bekommen. Eine Gefängnismitarbeiterin hat das Geld gezählt – er hatte über 400$ bei sich. Für einen Obdachlosen eine stolze Summe. Scott hat auch hier immer wieder die fucking scumbags ausgerufen. Sobald Stephanie ihn aber direkt angesprochen hat, meinte er immer: ich mach keinen Ärger. Ich bin ein guter Bürger. Er hat wohl ein wenig Schizophrenie und Borderline… ist also geistig nicht ganz auf der Höhe. Ich stand da nur dabei und hab mir das geschäftige Treiben angeschaut. Im Knast hätte ich den Abend verbringen sollen – so viel wie da los war. Ein Kollege von Stephanie hat einen Typen festgenommen, der „under the influence “ war – also entweder betrunken oder bekifft Auto gefahren ist. Er schien das erste Mal im Knast zu sein, denn er hat ständig seine Hände hoch gehalten und gesagt er wäre unbewaffnet. Dabei hat er gegrinst. Als Scott dann wieder die scumbags ausgerufen hat, hat er versucht zu beschwichtigen und meinte nur, die machen doch auch nur ihre Arbeit. Was dann natürlich noch mehr Schimpfworte von Scott zur Folge hatte. Der Typ trug Skinny Jeans und ich weiß auch nicht… seltsamer Kerl, der wohl 47.000$ in bar bei sich hatte. Er meinte dann immer nur er hätte eine Firma und er müsste morgen wieder arbeiten. Und in seinem Handy wäre eine Textnachricht, die das Geld erklärt und er müsste jemanden anrufen. Da meinten die Gefängniswärter nur … er hat jetzt 2-3 h Zeit bis das alles bearbeitet ist und entschieden ist da kann er sich ja versuchen an seine Telefonnummern zu erinnern. Zack, Ende der Diskussion. Und der Typ tänzelte dann davon in den Wartebereich wo schon bestimmt 20 andere auf ihr Schicksal gewartet haben. Scott wurde dann irgendwann von den Beamten fotografiert -nachdem er ständig versucht hat sich auf der Bank hinzulegen- und dann unter die Dusche geschickt.
Online kann man einsehen, wer gerade im Washington County Jail eingebucht ist und Scott scheint noch immer dort zu sein. Wahrscheinlich brauchen sie die Betten nicht unbedingt und halten ihn bis zu seinem Gerichtstermin nächste Woche in Gewahrsam. Ist auch nicht schlecht für ihn, denn die Temperaturen sind hier nacht unter 0°C. So hat er wenigstens ein Bett und 3 warme Mahlzeiten.
Dieser ganze Vorgang im Gefängnis hat dann doch eine gewisse Zeit gedauert, so dass wir erst gegen 1.30 Uhr wieder am Polizeiauto waren. Damit war meine Streifenfahrt – Zeit zu Ende und Stephanie hat mich wieder an der Polizeistation abgesetzt. Schade, dass wir nichts spektakuläreres erlebt haben. Alles in allem war es super interessant, ich habe viele Fragen gestellt und beantwortet bekommen und ich bin froh, dass ich diese Möglichkeit bekommen hatte einmal mit auf Streife zu gehen.
Bilder gibt es hierzu natürlich keine.